Computer Log Buch vom 17. November 2023. Hier schreibt Timothy Trust, der Zauberer und Magier und Comedian und Clown und Selbst-Darsteller vom GOP Essen. Das GOP Essen ist ein Varietee in der Stadt Essen im Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet ist ein sogenanntes Ballungsgebiet. Hinzu gehören auf jeden Fall Städte wie Oberhausen Bottrop Bochum Duisburg Gelsenkirchen und eben auch essen. Mich hat gewundert, dass das Ruhrgebiet nur das fünftgrößte Ballungsgebiet Europas ist; ich dachte es ist weiter vorne; es ist Teil der blauen Banane. Nicht zu verwechseln mit der Grünen Gurke. Die gibt es im Supermarkt. Im Ernst: Die blaue Banane ist ein Ballungsgebiet, das sich von Irland über London über die Niederlande und Brüssel übers Ruhrgebiet bis nach Mailand erstreckt und insofern eine Megalopole bildet; diese gibt es auch in den USA und Japan. In den USA heißen sie zum Beispiel BosWash, SanSan oder ChiPitt – benannt nach den ersten Silben der Städte die sie begrenzen. Neben der blauen Banane gibt es noch die goldene Banane, die sich von Spanien nach Italien am Mittelmeer erstreckt und die (wenn sie mit berücksichtigt wird) die blaue Banane mit anderen Ballungsräumen unter Umständen zu einem blauen Stern umformt.

Bisher habe ich mich noch nicht wirklich mit der Umgebung hier in Essen beschäftigt, ich war mal vor fünf Jahren in der Zeche Zollverein, das war definitiv ne Sehenswürdigkeit. Aber es gibt natürlich noch viel mehr. Morgen gehe ich voraussichtlich mal ins schöne Oberhausen und schaue mir dort das „House of Magic“ an… ein Zaubermuseum von den Zauberkünstlern „Ehrlich Brothers“ im Centro Oberhausen.

Ich versuch mich auch an der Sprache hier. Es gibt ja das sogenannte Ruhrdeutsch, was aber mehr ein Regiolekt ist als eine Sprache. Kennzeichnend vor allem ist, dass das „r“ oft eher als „a“ oder „e“ ausgesprochen wird, wie zum Beispiel in „Gelsenkiiaachen“ oder „Steean“. Das führt dazu, dass es hier keinen Unterschied macht, ob eine Person im Wasser wartet oder watet 🙂

Auch wird das „g“ oft als „stimmloser palataler Frikativ“ aus gesprochen. Nein, das hat nichts mit einer heiseren Bulette zu tun . es geht um das „ch“ wie in „ach!“. Beispiele: Duisburch, mööchlich, Anzuch, waach et nich !

Weitere Beispiele für Ruhrdeutsch:

„Mutta, hol mich vonne Zeche. Ich kann dat Schwatte nich mehr sehn!“
Satz mit wammamaa und hattataa? Wammama auf Schalke hattata gereechnet.

Was ich auch lustig fand: Ich bin mit der Bahn gefahren. Ist ja schon lustig genug 🙂 Dann sagte der Schaffner: Wir erreichen die Weltstadt Duisburg. Ausstieg in Fahrtrichtung links. Da hab ich mal nachgeschaut im Internet was unter „Weltstadt Duisburg“ zu finden ist: Nichts. Es war ein Witz des Schaffners.

Im Internet ist bei Spiegel Online gerade ein Artikel erschienen zum Thema: Wie anfällig sind Zauberer für psychische Störungen

Die Artikel geht auf eine Studie der Aberystwyth Universität in Wales zurück, die untersucht hat, inwieweit Zauberer anfällig für psychische Störungen wie Schizophrenie oder Autismus sind. Die Vermutung lag nahe, dass es da einen Zusammenhang gibt:

1. Zauberer und Zauberinnen sind kreative Menschen und Kreativität und „Wahnsinn“ liegen oft beieinander (siehe Van Gogh, Edvard Munch und andere)
2. Zauberer nutzen oft die Zauberkunst, um in jungen Jahren soziale Defizite aufzuholen.

Das Ergebnis der Studie war verblüffend: Zauberer sind nicht nur weniger anfällig für psychische Störungen als andere Künstlerinnen und Künstler, sondern sogar weniger anfällig als die „normalen“ Leute. Das Phänomen wird einerseits so erklärt, dass es bei Zauberkünstlern auf eine hohe Präzision ankommt… das kann für mich nicht der Grund sein, denn Zauberer sind bestimmt nicht technisch versierter als etwa der Pianist David Helfgott, der jahrelang in psychiatrischer Behandlung war. Andererseits wird vor allem in dem Original Artikel der Cambridge Uni darauf hingewiesen, dass Zauberkünstlerinnen und Zauberkünstler mehrere Dinge auf sich vereinen müssen: einerseits die kreative Seite, andererseits die organisatorische und dann auch noch eine soziale Interaktion mit Menschen. Diese drei Faktoren dürften Menschen, die an psychischen Störungen leiden, nicht zu dem gewünschten Erfolg verhelfen. Auch ist nicht bei allen Zaubererinnen und Zauberern Kreativität erforderlich. Manche führen die Kunststücke so vor, wie sie im Buch stehen mit entsprechendem Begleittext. Lustig fand ich auch den Satz, dass Illusionisten wenig zu Halluzinationen neigen.

Eine etwas schräge Übersetzung hat mich erst verwirrt. Im Artikel steht geschrieben: „Erfolg ist für Magier stark von Timing und handwerklichem Geschick abhängig. Ihre Tricks sind zwar bei der Entwicklung kreativ, aber auf der Bühne kommt es vor allem darauf an, sie fehlerfrei vorzuführen. Eine »Alles-oder-Nichts-Aktion«, wie Greengross schreibt, die in einem Überraschungsmoment mündet. Misslungene Zaubertricks hinterließen eine größere Wirkung als unlustige Witze.“

Ich habe das mal nachgeschaut, wie das im Original nachgeschaut. Da steht: Failed magic tricks leave a greater impact than unfunny jokes and are harder to compensate for, as they are few and far between.

Eine bessere Übersetzung wäre also: Wenn Zaubertricks schief gehen, hat das eine schlimmere Wirkung als ein unlustiger Witz. Witze können leicht kompensiert werden, Zaubertricks nicht.

Das Ergebnis der Studie kann also grob zusammengefasst werden wie folgt: Die Kreativität von Zauberern hält sich in Grenzen. So wie die Stimmung in der DDR :-)))

Hinzu kommt nach meiner Einschätzung, dass Zauberer und Zauberinnen meist die Zauberkunst als Hobby ausüben und gar nicht die Zeit haben, einem Kunststück auf den Grund zu gehen und richtig kreativ zu werden, denn für Inspiration braucht man Zeit und Beschäftigung mit einem Thema und kann meines Erachtens erst durch unzählige Vorführungen erreicht werden. Getreu dem Motto: Ich führe das Kunststück eigentlich nur vor um herauszufinden, was daran falsch ist 🙂 Da Hobbyzauberer kaum reisen können, da sie ja hauptberuflich meist an einen Ort gebunden sind, sind sie gezwungen, neue Programme aus dem Boden zu stampfen, wenn eine Firma sie zum vierten Male buchen will. Ich bewundere solche ZauberkollegInnen, die ein Kunststück kaum gekauft haben und schon nach kurzer Zeit damit auf der Bühne stehen. Ich baue vielleicht hin und wieder mal etwas neues ein aber brauch immer 90 Prozent meines Programms, das ich beherrsche um 10 Prozent neues Material zu kompensieren.

Dabei ist es natürlich hilfreich, wenn einem ZuschauerInnen bestimmte Gags mitteilen. So bin ich richtig traurig, dass ich letztens nicht länger nachgebohrt habe, denn Diamond und ich hatten auf der Bühne etwas gesagt und jemand hat etwas erwidert aus dem Publikum aber wir haben es nicht verstanden. Die Leute haben gelacht. Ich werde nie wissen, was da gesagt wurde. Vielleicht war das ein richtig guter Gag.

Apropos Zuschauerinnen und Zuschauer: Wir stehen ja immer draußen und verabschieden die Leute nach der Show. Naja, in Essen bisher nur zweimal, zugegeben; die erste Woche war wegen technischer Probleme im Theater so anstrengend, dass wir keine Kraft hatten. Aber schon das eine Mal war wieder sehr gewinnbringend: Ein Gast sagte immer wieder und wieder zu uns: Ihr seid Boten der Freude. Boten der Freude. Fand ich super. Wir sind sozusagen Engel (Anggelos, griech: Bote). Ein anderer Herr aus Bremen wiederholte immer wieder: Das war Famos! Wirklich Famos! Herrlich.

Nicht so herrlich war der Besuch von Zauberkünstlern, die in ihrer Kommunikation „toxisch“ waren. Ich traf auf den einen draußen nach der Show, während wir die Zuschauerschar verabschiedeten und der stellte sich neben uns und sprach die ganze Zeit nur von den tollen Artisten. Irgendwann lobte er dann unsere Spontaneität aber das war dann einfach zu spät. Es war auch total absurd, denn alle Gäste unterbrachen ihn bei seinem Text immer wieder, um sich bei uns für die Show zu bedanken und er erzählte immer nur vor uns von den Artisten. Ich habe viel geredet um mir nichts anmerken zu lassen, dass ich grad wahnsinnig genervt bin von dem Kollegen. Schließlich hatten wir gerade 50 Minuten dieser 100 Minuten gestaltet und unser Konzept lässt die ArtistInnen gut aussehen. Sie sind natürlich auch toll. Ich weiß, dass der Vergleich sehr sehr weit hergeholt ist, aber es ist of eine Frage des Timings, die den Inhalt bestimmt. Zum Beispiel habe ich letztens über den aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland gesprochen und es wurde sofort auf den Krieg im Gaza Streifen übergeleitet. Sicherlich kann über die Situation der Palästinenser gestritten werden. Aber zunächst einmal muss der Terror der Hamas aufs schärfste verurteilt werden und auch der Antisemitismus in Deutschland und dann erst mal eine sehr sehr lange Pause gemacht werden. Nach einer Woche können wir dann über Palästina sprechen. Timing ist alles.

Der andere Kollege hat auch irre genervt. Er hat uns wirklich immer wieder gefragt, was wir denn tagsüber machen. Ich habe gesagt: tagsüber erholen wir uns von Deinen blöden Fragen. Das hielt ihn nicht davon ab, weiter zu fragen, was wir tagsüber machen. Ich glaube, wenn ZauberkünstlerInnen anfällig für psychische Störungen sind, dann liegt das an den anderen ZauberkünstlerInnen.

Es gibt natürlich auch das Gegenteil: Ein Zauberduo hat jetzt einen Artikel über uns in der Magie geschrieben. Wir haben den Vorabdruck erhalten zur Durchsicht. Ich wollte erst sagen, dass das doch viel zu begeistert ist, was sie da geschrieben haben, aber dann dachte ich: Ach, eigentlich auch nicht. Ich freu mich auf den Abdruck!!! :-)))

Christoph & Lou Magier Berlin

Zauberer im Artikel des Spiegel Online