Die Premiere unserer neuen Show „Multiversum“ im GOP Bad Oeynhausen ist hinter uns und die zweite Woche der Spielzeit ist bereits im vollen Gange. Innerhalb kürzester Zeit haben wir bereits sieben Shows gespielt hier im Kaiserpalais. Am Donnerstag vor einer Woche war noch Generalprobe und heute soll diese bereits eine Woche her sein?! Kaum zu glauben. Die Zeit ist eine sehr flüchtige Angelegenheit wenn man sie nicht bewusst nützt. Wie sagte schon Seneca in „De brevitate vitae“: Das Leben ist kurz, Kunst dagegen ist lang. Also sollten wir das Leben mehr mit Kunst füllen! Und die Zeit nützen und nicht verschwenden. Ich spreche hier im Kohortativ, meine also vor allem mich selbst :-)))

Noch vor genau einer Woche war gar nicht klar, wie diese Show hier ankommen wird, schließlich haben wir unser „Simsala…Shakespeare!“-Konzept (bzw. „Abraka…Shakespeare!“-Konzept) genommen und es auf eine Varieteeshow übertragen. Würden die Witze, die wir vor allem für das Publikum des Europapark in Rust konzipiert hatten, auch für ein erwachsenes Publikum taugen? Also ich meine damit nicht, dass alle Besucher von Freizeitparks kindisch sind… aber zumindest werden auch die erwachsensten Erwachsenen in dem Augenblick wieder zum Kind, wenn sie die Pforten des Mariannentors in der Deutschen Strasse des Europapark passieren. Besonders trifft das vorgenannte auf Kinder zu. Wir hatten insbesondere an zwei Stellen unserer Zauber- und Varieteeschau hier in Bad Oeynhausen Bedenken: Einmal bei der Szene, wo „Mina“ mich („Dima“) in eine Trance zaubert und an meinem Gesicht herumspielt. Diese Szene bringt tatsächlich auch bei Erwachsenen einen Lacher; sie ist auf jeden Fall ein Garant dafür herauszufinden, ob Kinder im Publikum sind oder nicht. Denn bei kaum einer anderen Szene hört man öfter ein helles Kinderlachen aus den Tiefen des Saales. Hierzu sei bemerkt, dass die Akustik des großen Saales im Kaiserpalais sehr merkwürdig ist. Auf der Bühne bekommt man von der Stimmung im Saal nur in extremen Fällen etwas mit: Entweder bei absoluter Ruhe oder bei absoluter Euphorie. Die Stimmen dazwischen bekommt man (frau) nicht recht mit; das hängt wohl damit zusammen, dass das GOP Bad Oeynhausen früher mal das Kurhaus der Stadt war und die Bühne eine Konzertmuschel; ich habe im Internet nur folgendes Bild gefunden, das leider nur sehr schlechte Qualität hat:

Hier sieht man noch deutlich die beiden Statuen, die auch heute noch rechts und links der Bühne auf ihren Sockeln stehen (aber ohne Socken). Auch heute noch hat die Bühne eine Guckkasten-Architektur, allerdings fehlt die muschelartige Rückwand, die die Publikumsreaktionen sicherlich besser aufgefangen hat.

Daher sind wir jedes Mal überrascht, wenn nach einer Show mit gefühlt wenig Reaktionen das Publikum stehende Ovationen gibt, so wie etwa am vergangenen Sonntag in der zweiten Show, wo wir tatsächlich geschlossene Ovationen hatten:

Standing Ovations GOP

Auch gestern wieder hatten wir stehenden Applaus; allerdings nicht wie erwartet beginnend von hinten, sondern vorne standen zwei GästInnen und um sie herum niemand. Merkwürdig. Ich würde schon aus Solidarität mit diesen beiden ZuschauerInnen auch aufstehen! Die beiden haben sich nicht beirren lassen und haben auch nicht nach hinten geschaut, sondern einfach weiter applaudiert. Sie waren echt begeistert.

Ich habe mich heute mit KünstlerkollegInnen über Zeit unterhalten und festgestellt, wie wichtig es ist, die eigene Zaubershow oder überhaupt jede Darbietung ständig zu optimieren. Denn allein diese kleine Veränderung macht den Spaß an der eigenen Performance aus. Es ist der Spaß an der Exzellenz. Wie schon Chris Rock in seinem neuen Special „Selective Outrage“ erzählt, gibt es vier Methoden, in Social Media bekannt zu werden: show your ass (zeig deinen Hintern), infamy (Niedertracht, zum Beispiel school shooting), excellence (Spitzenleistung), being a victim (Opfer sein, hier spielt er auf weiße Männer an und den 6.1.2021). Exzellenz sei allerdings die schwierigste Disziplin, denn da muss man morgens aufstehen :-))). Was mir auffällt bei Chris Rock ist seine ständige Wiederholung von Wörtern: Comedy scheint bei ihm vor allem durch Einbleuen von Sätzen zu entstehen. Er übertreibt es in seinem Special völlig. Er übertreibt es VÖLLIG. VÖLLIG!!! Es fühlt sich an wie bei einer Gospel Messe. Halleluja. Halleluja!!! Halleluja.

Nochmal zurück zur Zeit: Lineare Zeit kann total anstrengend sein, wenn man genau weiss, was passiert, wie bei täglich grüßt das Murmeltier mit Bill Murray. Mir ergeht das so bei unserer Schlussdarbietung in unserer Steampunkshow „Multiversum“. Da gibt es die großartige Nummer der „Aquamen“, eine Absplitterung von der Akrobatik Truppe „Atlantis“ (genaueres weiß ich nicht über die Verhältnisse zwischen den beiden Truppen); diese Nummer ist absolut beeindruckend, aber wenn man sie wöchentlich acht mal anschaut, dann fühle ich mich als Zuschauender eher wie ein Kritiker als wie ein Bewunderer. Da ich aber direkt danach ins Finale überleite mit meiner Kollegin Diamond, und es an meinem Standort keinen Ausgang gibt ausser über die Bühne, bin ich in der beobachtenden Position gefangen. Daher habe ich ein Buch der hinterlegt, dass ich in den vier Minuten der Show lese. Es geht um Leonardo da Vinci – ein Genius seiner Zeit und echter Steampunk Künstler mit seinen visionären Maschinen.